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Kein Rennen
um Ressourcen
Egon Müller
ist einer der führenden Experten
für innovative Produktionsstrukturen und
Fabrikkonzepte. Der Professor für Fabrikplanung und Fabrikbetrieb an der TU Chemnitz
erkennt in der Nutzung ökologischer Produktionsfaktoren ein Einsparpotenzial von bis
zu 50 % in den kommenden zehn Jahren. Im Interview erklärt er, wie wichtig es ist, sich dem
Wettlauf um Energieressourcen zu entziehen.
Interview
Zur Person
Prof. Dr.-Ing. Egon Müller
Egon Müller leitet an der Technischen Universität Chemnitz
die Professur Fabrikplanung und Fabrikbetrieb. Mit seinen
30 Mitarbeitern forscht er an der Entwicklung zukünftiger
Produktionsstrukturen und neuartiger Fabrikkonzepte für
Maschinen- und Anlagenbauer sowie Automobilhersteller
und -zulieferer. Dazu gehören flexible wandelbare Fabriken
sowie hierarchielose, regionale Produktionsnetze. Die
Professur verfügt über hochwertige Kompetenzen bei
der rechnergestützten Fabrikplanung, Modellierung und
Simulation sowie der energieeffizienten Fabrikplanung.
www.tu-chemnitz.de/mb/fabrplan
trends in automation:
Herr Professor Müller, Sie vertreten
die These von einem Einsparpotenzial zwischen 30 und 50 %
am Gesamtverbrauch der Ressourcen Material und Energie.
Ist dieser Wert nicht zu hoch gegriffen?
Prof. Egon Müller:
Um diese Aussage zu bekräftigen, muss
man bekanntes physikalisches Grundwissen in Erinnerung
rufen. Energie kann zwischen Systemen zwar ausgetauscht,
aber weder erzeugt noch vernichtet, sondern nur von einer
Energieform in eine andere umgewandelt werden. Dabei gilt
weiterhin, dass Energieumwandlungen zwischen verschie-
denen Energieformen und Energieniveaus in eine Richtung
verlaufen und nicht umkehrbar sind. Betrachtet man die
Fabrik als „Gesamtenergieverbrauchssystem“, in dem
bekanntermassen die vielfältigsten Energieumwandlungs-
prozesse stattfinden, lassen sich die von Ihnen ange-
sprochenen Potenziale systematisch erschliessen.
Beim Verbrauch von Materialressourcen spielen neben neuen
technologischen Verfahren besonders der Einsatz neuer
Werkstoffe und deren Kreisläufe – sprich deren Wiederver-
wendung – eine grosse Rolle. Für die Fabrikplanung und deren
Betrieb bedeutet dies, auch neue Konzepte zu generieren,
die beispielsweise Maschinenbau und Verfahrenstechnik
miteinander verbinden, um solche Kreisläufe zu gestalten.
trends in automation:
In Ihrem Buch „Energieeffiziente
Fabriken planen und betreiben“ zeigen Sie, wie Potenziale
für Energieeinsparungen systematisch erschlossen werden
können. Worauf kommt es dabei besonders an?
Müller:
Letztendlich könnte man an dieser Stelle auf den not-
wendigen ganzheitlichen Ansatz verweisen. Doch das reicht
ebenso wenig aus wie allein eine systematische Vorgehensweise.
Eine Fabrik, das sind in erster Linie Menschen, die mit den
entsprechenden Maschinen und Ausrüstungen aus Materialien
Produkte erzeugen. Genau diese Vorgänge werden ebenfalls
von Menschen geplant und damit gedanklich vorweggenommen.
Wir müssen entsprechende Kompetenzen entwickeln und
die Menschen in der Fabrik qualifizieren, um mit den dafür
bereitzustellenden Methoden und Werkzeugen diese Potenziale
systematisch zu erschliessen. Neben diesem Aspekt wird
auch die ganzheitliche Betrachtung von Energiebereitstellung,
-umwandlung, -übertragung und -nutzung sowie deren
Optimierung in der Fabrik eine wesentliche Rolle spielen.
trends in automation:
Inwieweit kann Energieeffizienz
zu einem strategischen Wettbewerbsfaktor für ein Unter-
nehmen werden?