Der Traum vom Fliegen ist einer der ältesten der Menschheit. Seit jeher schauen wir dabei mit Faszination auf die Tierwelt, die auf verschiedenste Art und Weise zeigt wie es funktioniert. Auch im Bionic Learning Network ist das Fliegen ein immer wiederkehrendes Thema. Im Verbund mit Hochschulen, Instituten und Entwicklerfirmen entwerfen wir seit Jahren Forschungsträger, deren technische Grundprinzipien aus der Natur abgeleitet sind.
Zunächst haben unsere Bionik-Experten dem Mantarochen auf die Flossen geschaut. Dieser lebt zwar im Wasser, aber dennoch schlagen seine großen Brustflossen wie Flügel auf und ab, wenn er schwimmt. Dieses Prinzip haben wir im Jahr 2007 auf den Air_ray übertragen. Die strömungsoptimierte Form des Rochens erhöht den aerodynamischen Wirkungsgrad, die aktive Torsion der Flügel sorgt für eine volle Kraftentfaltung. Dabei zieht ein Servomotor in Längsrichtung alternierend an den beiden Flanken und lässt so den Flügel gezielt nach oben und unten schlagen. Mit einem zusätzlichen Servoantrieb kann der Schlagflügel in seiner Querachse verdreht werden, wodurch sich der Air_ray auch rückwärts manövrieren lässt. Durch seine Leichtbauweise, den Auftrieb von Helium und den Schlagflügelantrieb mit Fin Ray Effect® bewegt er sich in der Luft wie sein natürliches Vorbild im Meer.
Ein ähnliches Konzept steckt auch in den AirPenguins von 2009. Ihre Flugtechnik kommt der Schwimmtechnik ihrer biologischen Vorbilder sehr nahe. Durch die sich passiv verdrehenden Flügel lassen sich sowohl Vorwärts- als auch Rückwärtsschub erzeugen.
Die AirPenguins können als Dreier-Gruppe autonom fliegen und sich schwebend in einem definierten Luftraum bewegen, der von Ultraschall-Sendestationen erfasst wird. Innerhalb dieses Raumes können sich die Pinguine frei bewegen.
Ein Mikrocontroller gibt ihnen die Möglichkeit, diesen Raum autonom oder nach vereinbarten Regeln zu erkunden.
Darauf aufbauend haben wir 2011 den Vogelflug entschlüsselt und den SmartBird präsentiert. Der von der Silbermöwe inspirierte, bionische Technologieträger kann selbst starten, fliegen und landen – ohne zusätzlichen Antrieb.
Seine Flügel schlagen dabei nicht nur auf und ab, sondern verdrehen sich gezielt. Dies geschieht durch einen aktiven Gelenktorsionsantrieb, der in Verbindung mit einer komplexen Regelung bisher unerreichte Wirkungsgrade im Flugbetrieb realisiert. Permanente Diagnose sichert den Flug ab: Während der SmartBird fliegt, werden laufend Daten wie die Flügelposition und Flügeltorsion oder der Batterieladezustand erfasst und in Echtzeit überprüft.
Eine noch komplexere Flugart ist bei der Libelle zu beobachten. Ihre Flugkünste sind einzigartig: Sie kann in alle Raumrichtungen manövrieren, in der Luft stehen bleiben und ganz ohne Flügelschlag segeln. Durch die Fähigkeit, ihre beiden Flügelpaare unabhängig voneinander zu bewegen, kann sie abrupt abbremsen und wenden, rasant beschleunigen und sogar rückwärts fliegen.
Mit dem BionicOpter hat unser Bionik-Team 2013 diese hochkomplexen Eigenschaften in einem ultraleichten Flugobjekt technisch umgesetzt. Erstmals beherrscht ein Modell mehr Flugzustände als Hubschrauber, Motor- und Segelflugzeuge zusammen. Durch Steuerung der Schlagfrequenz und der Verdrehung der einzelnen Flügel lassen sich so alle vier individuell in Schubrichtung und Schubstärke einstellen. So kann die ferngesteuerte Libelle nahezu jede Lageorientierung im Raum einnehmen.
Perfektioniert hat Festo den Leichtbau und die Miniaturisierung im Jahr 2015 mit den eMotionButterflies: Jeder der bionischen Schmetterlinge wiegt nur 32 Gramm. Um dem Flug ihres natürlichen Vorbilds so nahe wie möglich zu kommen, verfügen die eMotionButterflies über eine hochintegrierte On-Board-Elektronik. Sie kann die Flügel präzise und individuell ansteuern und so die schnellen Bewegungen umsetzen.
Zehn im Raum installierte Kameras erfassen die Schmetterlinge über deren Infrarotmarker. Die Kameras leiten die Positionsdaten an einen zentralen Leitrechner weiter, der die Schmetterlinge von außen koordiniert.
Diese intelligente Vernetzung haben die Bioniker weiterentwickelt und zeigen auf der Hannover Messe 2018 den BionicFlyingFox, der sogar teilautonom fliegt. Dies ist durch die Kombination aus Onboard-Elektronik und externem Kamerasystem möglich. Dadurch fliegt das künstliche Fledertier mit einer Spannweite von 2,28 Metern durch die Lüfte.
Von den Fingerspitzen bis zu den Füßen des künstlichen Fledertiers spannt sich eine dehnbare, luftdichte Haut. Die speziell entwickelte Membran besteht aus einem Elastangestrick und punktuell verschweißten Folien. Dank dieser Wabenstruktur kann der BionicFlyingFox selbst bei leichten Verletzungen des bionischen Gewebes fliegen.
So unterschiedlich das Flugverhalten der Tiere in der Natur ist – für den Übertrag in die Technik sind die großen Herausforderungen stets der Leichtbau und die Funktionsintegration. Mit dem BionicFlyingFox, bei dem alle Gelenkpunkte seiner hochbelasteten Kinematik in einer Ebene liegen, sodass sich der gesamte Flügel im Scheren-Prinzip zusammenfalten lässt, hat Festo nun alle Flugarten der Tierwelt entschlüsselt. Aber die Natur bietet noch viele andere einzigartige Lösungen, die das Bionik-Team in Zukunft für neue technische Lösungen inspiriert.