Mit dem biotechnologischen System BionicHydrogenBattery zeigt Festo einen völlig neuen, vollautomatisierten Lösungsansatz für die energieeffiziente Speicherung und den risikoarmen Transport eines der Energieträger der Zukunft: Wasserstoff. Er wird mit Hilfe von Bakterien in Ameisensäure umgewandelt – und das im Vergleich zu bisherigen Verfahren bei milden Temperaturen und geringem Druck.
Kern des biologischen Prozesses ist das Bakterium Thermoanaerobacter kivui (T. kivui). Das Bakterium lebt in Zentralafrika, tief im Schlamm des Kivu-Sees, fernab von Licht und Sauerstoff. Es verfügt von Natur aus über ein besonderes Enzym, das es in die Lage versetzt, Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2) in Ameisensäure (CH2O2) umzuwandeln und umgekehrt.
Grundlegend erforscht wurde diese Eigenschaft vom Team um Prof. Dr. Volker Müller, Leiter der Abteilung „Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik“ an der Goethe-Universität Frankfurt, mit dem Festo in dem Projekt eng zusammenarbeitet.
Die Speicherung und der Transport von Wasserstoff stellen bis heute eine Herausforderung dar. Gängige Methoden komprimieren Wasserstoff unter hohem Druck, verflüssigen ihn unter extrem niedrigen Temperaturen oder wandeln ihn chemisch um. All diese Verfahren sind energieaufwändig und kompliziert.
Mit Hilfe der Bakterien T. kivui gelingt es, Wasserstoff bei Temperaturen um 65 °C und geringem Druck von 1,5 bar in Ameisensäure umzuwandeln, die sich mit relativ geringem Aufwand speichern und transportieren lässt.
Obwohl es sich um einen biologischen Prozess handelt, läuft diese Reaktion schnell ab, denn sie ist nicht an das Wachstum der Zellen gekoppelt. Vielmehr werden die Bakterien wie Katalysatoren genutzt: Sie werden nicht verbraucht und der Prozess lässt sich mit genügend Regenerationsphasen beliebig wiederholen – ganz im Sinne eines Kreislaufs.
Dr. Adrian Eilingsfeld, Bionic Projects bei Festo
Was bisher nur im Labor möglich war, gelingt mit der BionicHydrogenBattery in einem industriell nutzbaren Umfang. Für die Automatisierung der hoch komplexen, biotechnologischen Prozesse sorgen viele Produkte aus dem Festo Portfolio.
Im Exponat verbaut sind insgesamt 117 verschiedene Festo Produkttypen (entspricht 1.089 Teilen). So steuert die neue modulare Ventilinsel VTUX in Kombination mit dem Automatisierungssystem CPX-E sehr viele Ventile mit wenig Platzbedarf an. Für den reibungslose Transport der viskosen Biomasse-Lösung in und aus den Bioreaktoren sorgen Medienventile VYKC aus unserem Lifetech-Portfolio. Der Durchfluss durch die Filter wird mit Quetschventilen VZQA geregelt. Zum präzisen Dosieren von kleinsten Volumina an Flüssigkeit in unsere Reaktoren arbeiten Servomotoren EMMT in Kombination mit Pumpenköpfen als Peristaltikpumpe. Ein Farbsensor SOEC detektiert in Kombination mit Suprapartikeln selbst geringste Mengen Wasserstoff.
Bakterien T. kivui sind anaerob, das heißt sie gedeihen ausschließlich in Abwesenheit von Sauerstoff. Im Falle einer Leckage des Systems sterben die Bakterien sofort und stellen somit für den Menschen kein Risiko dar. Gleichzeitig macht die Abwesenheit von Sauerstoff es für den Wasserstoff unmöglich, ein zündfähiges Gemisch zu bilden. Zudem enthält das System zu jedem Zeitpunkt davon nur kleinste Mengen.
Über Jahrmillionen der Evolution haben Bakterien ihre Stoffwechselprozesse optimiert. Wir können ihre Fähigkeiten nutzen, indem wir sie mit Technologie kombinieren. Mit der BionicHydrogenBattery bilden wir im kleinen Maßstab den biologischen Prozess ab, den wir dank unserer Automatisierungstechnik nun beliebig skalieren könnten.
Biologisierung bedeutet: Wir lernen nicht mehr nur von der Natur, sondern arbeiten mit ihr zusammen. So ermöglichen wir ökologische Innovationen und klimaschonende Lösungen für die Welt von morgen und tragen zur Verbesserung der Lebensqualität heutiger und kommender Generationen bei.
Die energieeffiziente und risikoarme Speicherung von Wasserstoff mit Hilfe von Bakterien bietet hierbei großes Potenzial. Sie erlaubt es uns, Wasserstoff dann herzustellen und zu speichern, wenn genug nachhaltig erzeugte Energie vorhanden ist – beispielsweise im Sommer oder in wind- und sonnenreichen Ländern – und ihn zurückzugewinnen, wenn er für die Energieerzeugung benötigt wird.
Sebastian Schrof, Bionic Projects bei Festo