Der österreichische Anlagenbauer Vescon entwickelte für das Werk eines bekannten Automobilzulieferers in der Slowakei Lösungen für die Herstellung moderner LED-Autoscheinwerfer. Effizientes Handling, korrektes Abarbeiten zeitkritischer Produktionsschritte und die durchgängige Rückverfolgbarkeit standen dabei im Fokus. Mit an Bord: Die Spezialisten des Technic and Applicationcenters von Festo, die für einbaufertige Handlings sorgten.
Es hat sich einiges getan in Sachen Lichttechnik, seit die ersten motorisierten „Kutschen“ über Straßen und Wege rollten. Zu Beginn der Automobilgeschichte waren seitlich angebaute oder auf der Motorhaube aufgesetzte Laternen üblich, die später durch elektrisch betriebene Lampen ersetzt wurden. Bei den Laternen konnte man den Begriff „Brennpunkt“ durchaus noch wörtlich nehmen und direkt von einer tatsächlich brennenden Lichtquelle – meist Karbidlampen – ableiten.
Im Jahre 1908 wurde eine zusätzliche Abblendeinrichtung konstruiert: Über einen Bowdenzug konnte man einen Hebel betätigen, der die Gasflamme aus dem Brennpunkt des Reflektors verschob. Rund 100 Jahre später sieht die Welt ganz anders aus – es „wurde“ Licht. Mit neuen Technologien und leistungsstarken LED-Leuchtmitteln ist man heutzutage im wahrsten Sinne des Wortes um „Lichtjahre“ weiter. Dafür bedarf es aber innovativer teil- oder vollautomatisierter Produktionsanlagen, um die erforderliche Präzision für die Herstellung dieser sensiblen Teile eines Fahrzeugs zu gewährleisten. Eine Aufgabe für die erfahrenen Anlagenbauer von Vescon.
Die Vescon Systemtechnik GmbH ist in Gleisdorf, nahe Graz beheimatet. Hier realisiert man unterschiedlichste Projekte aus der Automatisierungs- und Verfahrenstechnik bis hin zur Energietechnik und Softwareentwicklung. Eine dieser durchdachten Automatisierungs- und Verfahrenstechniklösungen, die speziell für ein slowakisches Werk des Automobilzulieferers ZKW Group gebaut wurde, dient der Produktion eines Voll-LED Hauptscheinwerfers. Dabei handelt es sich um ein LED-Lichtmodul, das durch eine sogenannte „Matrixanordnung“ der LEDs und die Möglichkeit des Abblendens einzelner LED-Segmente ein Blenden anderer Verkehrsteilnehmer verhindert und dabei trotzdem für eine optimal ausgeleuchtete Fahrbahn sorgt.
Über visuelle Sensoren werden entgegenkommende bzw. vorausfahrende Fahrzeuge erfasst und die Segmente entsprechend dem Verkehr selektiv zu- oder weggeschaltet. Durch abgestimmte Übergänge zwischen den Lichtszenarien ergibt sich für den Fahrer eine homogene und optimierte Ausleuchtung der Straße, ohne einen plötzlichen Lichtwechsel, wie man ihn vom Umschalten von Fern- auf Abblendlicht kennt. Dadurch können sich die Augen des Lenkers auch leichter an die neue Lichteinstellung anpassen. Ein aktiver Sicherheitsgewinn, denn die restliche Umgebung bleibt vom Fernlicht hell angeleuchtet.
Bei der Konstruktion galt es, Prozesse wie zum Beispiel das schwierig zu handelnde Auftragen einer Zweikomponenten-Wärmeleitpaste zu berücksichtigen. Christoph Legat, Projektleiter bei der Vescon Systemtechnik GmbH: „Die Paste verfügt über ein sehr rasches Aushärteverhalten. Wir mussten also schon bei der Konstruktion darauf achten, im Prozess die sogenannte Topf-Zeit nicht zu überschreiten. Diese gibt an, wie lange sich ein reaktiver Werkstoff verarbeiten lässt, bzw. – in diesem Falle – wie lange man die LED-Bauteile in der Paste platzieren kann, bevor das Material zu stark ausgehärtet ist.“
Die Wärmeleitpaste ist hier deshalb erforderlich, weil leistungsstarke LEDs Wärme produzieren, die abgeleitet werden muss. Beim fertigen Scheinwerfermodul sorgen zusätzlich kleine Ventilatoren dafür, dass die Wärme an die Scheinwerferfront geführt wird, wodurch auch das Enteisungs- und Abtauverhalten des Scheinwerfers unterstützt wird. „Es gilt, zu kontrollieren, ob tatsächlich auf allen gewünschten Flächen die Wärmeleitpaste in der richtigen Dosierung aufgebracht wurde, da es sonst in Teilbereichen zu einer Überhitzung kommen könnte. Dies zählte zweifellos zu den besonderen Herausforderungen bei dieser Anlage“, so Projektleiter Legat.
Ein zweiter, technisch besonders herausfordernder Teilbereich der Scheinwerfer-Montageanlage ist das Warmnieten. Dabei wird mittels exakt abgestimmter Temperatur ein Kunststoffdom so verformt, dass ein Nietkopf entsteht. Christoph Legat: „Dieser Nietkopf sitzt am Reflektor und muss diesen und die Platine auf dem Kühlkörper absolut stabil und sicher halten. Dabei muss so präzise genietet werden, dass kein Spalt entstehen kann, der beim abschließenden Rütteltest oder im Echteinsatz zu einem Wackeln der Komponenten führt, denn im schlimmsten Fall könnte das das Lichtbild während der Fahrt beeinflussen.“
Der Kunde hat sich hier für eine teilautomatisierte Lösung entschieden, bei der noch mehrere Bediener Hand anlegen. Das ermöglichte in diesem Fall einerseits eine größere Flexibilität bei gleichzeitig geringeren Investition und andererseits kann der Hersteller auf unterschiedliche Bauteile oder Produktvarianten leichter Rücksicht nehmen. Trotz der händischen Manipulation wird das Gesamtsystem Schritt für Schritt von einer Steuerung überwacht. Übergeordnet verwaltet eine Datenbank alle Produktdaten und Informationen zum Produktionsablauf jedes Scheinwerfers. Jeder Scheinwerfer ist also am Ende des Herstellprozesses genau rückverfolgbar.
Der Bediener entnimmt im ersten Schritt ein Scheinwerfergehäuse und legt es in die erste Bearbeitungsstation ein. Danach wählt er die zu fertigende Type bzw. Variante. „Anschauliches Beispiel ist ein Scheinwerfer, der für ein Fahrzeug gedacht ist, das auf andere, also außereuropäische Märkte kommt. Hier werden dann teilweise andere Blinkermodule verwendet, da aufgrund lokaler gesetzlicher Vorschriften zwischen Blinklicht und Tagfahrlicht umgeschaltet werden muss“, erläutert Legat.
Jeder Bediener arbeitet an zwei bis drei verschiedenen Montageplätzen, während Verriegelungszylinder für den guten Halt der Werkstücke sorgen. Diese fixieren jedoch nicht nur, sondern sie geben das Bauteil auch erst dann wieder zur Entnahme frei, wenn alle erforderlichen Bearbeitungsschritte ordnungsgemäß ausgeführt wurden. Der Bediener platziert also verschiedene Bauteile und begleitet den Scheinwerfer bis zum ersten vollautomatisierten Bearbeitungsplatz – dem Aufbringen der Wärmeleitpaste. Hier angekommen verfügt der Scheinwerfer bereits über die komplette Verkabelung, das Verstellsystem und das Fernlichtmodul. Jetzt kommt ein Dreiachshandling zum Einsatz, das von den Spezialisten des Festo Technic and Application Centers einbaufertig direkt an die Anlage von Vescon geliefert wurde.
Die Grundachsen bilden zwei Zahnriemenachsen des Typs EGC-120 mit 250 mm Hub, synchronisiert über eine Verbindungswelle und mit einem platzsparenden Winkelgetriebe. Die y-Achse ist eine Schwerlastachse mit robuster Doppelführung Typ EGC-HD-160-TB. In z-Richtung verrichtet ein Elektroschlitten EGSL-BS-75 mit 100 mm Hub (Spindelantrieb mit präziser Kugelkäfigführung) seinen Dienst. Alle Achsen sind mit Servo-Antriebspaketen ausgerüstet. Als Controller fungieren drei Premium-Motorcontroller vom Typ CMMP-M3 mit Profibus-Interface und Sicherheitsmodul. Alles zusammen wurde als Teilsystem von Festo konstruiert, gebaut und mit Funktionsgarantie geliefert – Dokumentation inklusive.
Ein einbaufertig geliefertes Handling sorgt für den gleichmäßigen Auftrag einer 2-Komponenten-Wärmeleitpaste.
Der Bediener legt den Kühlkörper (mit Bohrungen zur Aufnahme der Reflektoren) in die Station und die Wärmeleitpaste wird beidseitig vollautomatisch mithilfe des Festo Handlings aufgetragen. Es bringt das 2K-Dosiersystem in der richtigen Bahn immer exakt an die richtige Stelle. Im nächsten Schritt wird die Platine mit den fünf LEDs am Kühlkörper in der Paste platziert. Dann folgt das Aufbringen der Reflektoren, auf denen sich zur optimalen Positionierung Führungsstifte befinden. Ist das erledigt, entnimmt der Bediener den kompletten Kühlkörper und bringt ihn zur nächsten Station, in der ein weiteres Festo Handling für die Bewegung der Nietkopfwerkzeuge sorgt.
Hier sind zwei Zahnriemenachsen Typ EGC-80 mit Führungsschlitten, synchronisiert über eine Verbindungswelle, mit einem platzsparenden Winkelgetriebe im Einsatz (x-Achse). Außerdem eine Schwerlastachse mit robuster Doppelführung Typ EGC-HD-160-BS (y-Achse), sowie ein Flanschgetriebe Typ PLFN. Alle Achsen sind ausgerüstet mit Servo-Antriebspaketen mit Multiturn-Encodern.
Projektleiter Legat ist begeistert von den einbaufertigen Handlinglösungen: „Wir haben nur die Kenndaten bekannt geben, die Lasten und die Wege oder Bahnen definiert, die es zu verfahren gilt, und brauchten uns über diesen Teil der Anlage keinerlei Gedanken mehr machen. Eine große Arbeitserleichterung, ebenso wie die Verwendung der CAD-Daten der Handlings, die uns von Festo für die Konstruktion der Gesamtanlage zur Verfügung gestellt wurden.“
Die auf dem Handling montierten Nietkopfwerkzeuge werden das letzte Stück von VTUG angesteuerten ADN-Zylindern zugestellt. Die Kontrolle der Stiftlänge an den Reflektoren vor dem Vernieten sowie der korrekten Endposition erfolgt mittels auf den Zylindern befindlichen SMAT-Positionstransmittern. Passt die Länge des Stiftes, wird sein vorstehendes Ende thermisch von den Nietkopfwerkzeugen zu Nietköpfen umgeformt. So entstehen dauerhafte Verbindungen, die die sensiblen Einzelteile ein Fahrzeugleben lang an ihrer Position halten. Nun wird das fertige Bauteil, bestehend aus Kühlkörper, Platine und den vernieteten Reflektoren, vom Bediener entnommen und in den Scheinwerfer eingebaut.
Um den festen Sitz der Komponenten zu überprüfen, kommt der Scheinwerfer in die Auszugsprüfstation, wo mit pneumatischen Dreh-Hubantrieben Haken unter das Modul gefahren werden, um anschließend durch Zug seinen festen Sitz zu überprüft. Anschließend geht es zur Lichteinstellstation. Der Bediener legt den Scheinwerfer auf einen Drehteller. Der Scheinwerfer wird gespannt und der Teller in Arbeitsposition geschwenkt. Dann können der Scheinwerfer kontaktiert und die unterschiedlichsten Lichtbilder sowie das Blinkmodul mittels Kameras überprüft werden. Außerdem wird hier die korrekte Position des Leuchtmoduls kontrolliert und - wie in einer Autowerkstatt - auf das ideale Niveau eingestellt.
Danach werden die Designblenden montiert, die die gesamte Technik abdecken, und in einer Klebezelle die äußere, durchsichtige Linse (Front des Scheinwerfers) mittels silikonfreiem Warmmelt-Kleber aufgeklebt. Ein zeitkritischer Prozess, da die Teile mit dem Kleber nur in einem bestimmten Zeitfenster optimal verbunden werden können. Nach dem Vorerwärmen zur Reduktion der Oberflächenspannung und dem Aufbringen des Klebers verpresst ein Roboter die Linse mit dem Scheinwerfer-Gehäuse. Anschließend erfolgt eine Dichtheitsprüfung des Scheinwerfers. Besteht er diese, ist ein weiterer innovativer Lichtbringer fit für seine Reise durch die Welt.