Der BionicMobileAssistant bewegt sich autark im Raum und kann eigenständig Objekte erkennen, adaptiv greifen und gemeinsam mit dem Menschen bearbeiten. Die Verarbeitung der erfassten Informationen übernimmt ein neuronales Netz, das im Vorfeld mit Hilfe von Data Augmentation trainiert wurde.
Werker und Roboter werden in Zukunft immer mehr und enger zusammenarbeiten. Daher befassen wir uns bei Festo intensiv mit Systemen, die den Menschen zum Beispiel bei monotonen oder gefährdenden Tätigkeiten entlasten könnten und gleichzeitig kein Risiko darstellen. Künstliche Intelligenz spielt hierbei eine zentrale Rolle.
In Kooperation mit der ETH Zürich ist dabei der BionicMobileAssistant entstanden, der aus drei Subsystemen besteht: einem mobilen Roboter, einem elektrischen Roboterarm und der BionicSoftHand 2.0. Der pneumatische Greifer ist von der menschlichen Hand inspiriert und eine Weiterentwicklung der BionicSoftHand aus dem Jahr 2019.
Mit dem DynaArm, einem elektrischen Roboterarm, sind schnelle und dynamische Bewegungen möglich. Dafür sorgt seine leichte Bauweise mit hochintegrierten, nur einem Kilogramm schweren Antriebsmodulen. In diesen sogenannten DynaDrives sind Motor, Getriebe, die Motoren-Kontrollelektronik und Sensoren auf engstem Raum verbaut. Außerdem verfügt der Arm über eine hohe Leistungsdichte, die mit einem kW bei 60 Nm Antriebsmoment weit über die der üblichen Industrieroboter hinausgeht.
Dank modellbasierter Kraftregelung und Regelalgorithmen zur Kompensation dynamischer Effekte kann der Arm gut auf äußere Einflüsse reagieren und damit sehr feinfühlig mit seiner Umgebung interagieren. Angesteuert wird er von einem Ballbot aus über einen EtherCAT-Kommunikationsbus. Durch seinen modularen Aufbau lässt sich der DynaArm schnell in Betrieb nehmen und einfach instand halten.
Der Ballbot basiert auf einem ausgeklügelten Antriebskonzept: Er balanciert auf einer Kugel, die von drei Omniwheels angetrieben wird. Dadurch kann sich der BionicMobileAssistant beliebig in alle Richtungen manövrieren. Der Roboter berührt den Boden immer nur an einem Punkt und kann so auch durch enge Passagen navigieren. Um sein Gleichgewicht zu halten, muss er sich kontinuierlich bewegen. Die Planung und Koordination der Bewegungen erfolgen über Planungs- und Regelalgorithmen, die auf einem leistungsstarken Rechner im Körper des Ballbots hinterlegt sind.
Die Stabilität des Roboters wird rein dynamisch realisiert – bei Einflüssen von außen kann der Ballbot die Kugel schnell in Rotation versetzen und so das Gleichgewicht halten. Mit Hilfe einer inertialen Messeinheit und von Positionsencodern an den Rädern erfasst er seine Bewegungen und die relative Neigung des Systems. Ein Optimierungsprogramm berechnet auf Basis dieser Daten, wie sich Roboter und Arm bewegen müssen, um die Hand in Zielposition zu bringen und den Roboter gleichzeitig zu stabilisieren.
Die Finger der pneumatischen Roboterhand bestehen aus flexiblen Balgstrukturen mit Luftkammern, umhüllt von einem festen und zugleich nachgiebigen Textilgestrick. Dadurch ist die Hand leicht, anpassungsfähig und sensibel, aber dennoch in der Lage, starke Kräfte auszuüben. Auch die Ansteuerung der pneumatischen Finger erfolgt wie bei der BionicSoftHand aus dem Jahr 2019 über eine kompakte Ventilinsel mit Piezoventilen, die direkt an der Hand angebracht ist.
Die Hand trägt einen Handschuh mit taktilen Kraftsensoren an den Fingerkuppen, der Handfläche und den Außenseiten der Roboterhand. So kann sie fühlen, wie hart das Greifgut ist und wie gut es in der Hand liegt, und ihre Greifkraft – genau wie wir Menschen – an den jeweiligen Gegenstand anpassen. Zusätzlich sitzt am Inneren des Handgelenks eine Tiefenkamera zur visuellen Objekterfassung.
Mit Hilfe der Kamerabilder kann die Roboterhand verschiedene Gegenstände erkennen und greifen, selbst wenn diese teilweise verdeckt sind. Nach entsprechendem Training kann die Hand anhand der erfassten Daten die Objekte außerdem beurteilen und so beispielsweise gute von schlechten unterscheiden. Die Informationen verarbeitet das neuronale Netz, das im Vorfeld mit Hilfe von Data Augmentation trainiert wurde.
Um bestmögliche Ergebnisse zu erreichen, benötigt das neuronale Netz viele Informationen, anhand derer es sich orientieren kann. Das heißt: Je mehr Trainingsbilder ihm zur Verfügung stehen, desto zuverlässiger wird es. Da dies in der Regel zeitaufwändig ist, bietet sich eine automatische Vermehrung der Datenbasis an.
Dieses Verfahren wird als Data Augmentation bezeichnet. Durch marginale Abänderungen weniger Ausgangsbilder – beispielsweise mit unterschiedlichen Hintergründen, Lichtverhältnissen oder Blickwinkeln – und deren Vervielfältigung erhält das System einen umfangreichen Datensatz, mit dem es selbstständig arbeiten kann.
Seine gesamte Energieversorgung hat das System an Bord: Die Batterie für Arm und Roboter sitzt im Körper. Die Druckluftkartusche für die pneumatische Hand ist im Oberarm verbaut. Damit ist der Roboter nicht nur mobil, sondern er kann sich auch autark bewegen.
Die auf dem Leitrechner hinterlegten Algorithmen steuern auch die autonomen Bewegungen des Systems. Sie planen mit Blick in die Zukunft, wie sich der Arm und der Ball bewegen müssen, um gewisse Zielpunkte zu erreichen und dabei die Balance zu halten. Mit Hilfe von zwei Kameras orientiert sich der Roboter dabei selbstständig im Raum: Eine Kamera sucht nach vordefinierten Fixpunkten in der Umgebung, um sich absolut zu positionieren, während eine zweite Kamera die Deckenstruktur zur Abschätzung der Bewegung nutzt.
Seine Mobilität und die autarke Energieversorgung ermöglichen dem BionicMobileAssistant einen flexiblen Einsatz für unterschiedliche Aufgaben an wechselnden Orten – ganz im Sinne einer sich ständig wandelnden Fertigung.
Prädestiniert wäre das System für die Anwendung als direkter Assistent des Menschen, zum Beispiel als Serviceroboter, als helfende Hand in der Montage oder zur Unterstützung von Werkern bei ergonomisch belastenden oder eintönigen Arbeiten. Möglich wäre auch ein Einsatz in Umgebungen, in denen Menschen nicht arbeiten können, etwa aufgrund von Gefahren oder beschränkter Zugänglichkeit.
Dank des modularen Konzepts lässt sich die BionicSoftHand 2.0 auch rasch an andere Roboterarme montieren und in Betrieb nehmen. Kombiniert mit dem BionicCobot oder dem BionicSoftArm bildet der Greifer beispielsweise ein komplett pneumatisches Robotersystem, das aufgrund seiner inhärenten Nachgiebigkeit Hand in Hand mit dem Menschen zusammenarbeiten kann.