Den legendären Ruf ihrer Armbanduhren schützt die Schweizer Uhrenindustrie mit dem Qualitätslabel „Swiss Made“. Produktionstechnisch ist dieses Qualitätsniveau nur mit schnellen und präzisen Automatisierungsanlagen zu erreichen. Dafür hat die Amax Automation AG einen multifunktionalen Palettierer realisiert – mit Robotik- und Handhabungssystemen wie dem einbaufertigen Delta-Roboter EXPT von Festo.
Umfragen zufolge sind anspruchsvolle Konsumenten aus aller Welt bereit, bis zu 50 % mehr für eine Armbanduhr auszugeben, wenn sie das Qualitätslabel „Swiss Made“ trägt. Das bedeutet aber auch, dass nach der Gesetzgebung des Schweizer Parlaments mehr als 60 % der Herstellungskosten einer edlen Armbanduhr in der Schweiz entstehen müssen.
Das ist einer der Gründe, warum die Schweizer Uhrenindustrie immer mehr Fertigungsschritte für Uhren und Teile in der Schweiz ausführt. Außerdem werden die Zulieferbetriebe in Niedriglohnländern durch steigende Lohnkosten immer unattraktiver. Hinzu kommt, dass die Reproduzierbarkeit anspruchsvoller manuell gefertigter Teile dort oft nicht möglich ist. Qualitätseinbußen ergaben sich ebenso, indem die Feinstanzteile als Schüttgut gehandhabt wurden. Dies führte zu mehr Ausschuss und höherem Reinigungsaufwand.
Am heimischen Produktionsstandort profitiert die Uhrenindustrie von schnelleren und kürzeren Transportwegen und einer einfacheren Produktionssteuerung. Dabei sorgt der Palettierer des Sondermaschinenbauers Amax für zuverlässig und präzise sortierte Feinstanzteile für die Weiterverarbeitung in der Galvanik, Lackierung, im Tampondruck und in der Montage. Die Hochpräzisionsteile sind für jeden Uhrentyp und jede Marke unterschiedlich und mit einer Dicke im Zehntel-Millimeter-Bereich extrem dünn.
Der multifunktionale Palettierer ist sehr flexibel und schnell. Bei einer Taktgeschwindigkeit von 120 Teilen pro Minute legt er bis zu elf unterschiedliche Kleinteile in sechs verschiedenen Gittertrays oder zwei unterschiedlichen Jedec-Trays ab. Weitere Teile lassen sich einfach über das Bedienpanel und die Software teachen. Die Nachfolgeprozesse erfordern ein Höchstmaß an Genauigkeit beim Einlegen der Teile in die Trays. Die richtige Seite der Teile muss im Tray immer nach oben gerichtet sein. Zwei integrierte Kamerasysteme und ein speziell entwickeltes Wendesystem stellen sicher, dass nur korrekt orientierte Teile abgelegt werden.
Danach beginnt der eigentliche Palettiervorgang. Die intelligente Kamera SBO..-Q detektiert die Lage der Uhrenteile auf dem Förderband und meldet diese an zwei Delta-Roboter EXPT. Mit einem speziell entwickelten Vakuumgreifer nimmt der Delta-Roboter die Teile vom Band und bestückt je nach Einsatzfall wahlweise die Gitter- oder Jedec-Trays. Ganz so einfach, wie es sich anhört, ist der Vorgang aber nicht: Da die Kleinteile so leicht sind, kann bereits ein Luftzug ihre Lage auf dem Band verändern. Auch sind sie so dünn, dass der Vakuumgreifer fast nicht zwischen Teil und Band unterscheiden kann. Eine sichere Produktion erfordert deshalb vom Handlingsystem eine hochpräzise, konstante Genauigkeit der Bewegungsabläufe, um die Lage der Teile auf dem Band nicht zu beeinflussen, diese aber trotzdem sicher greifen zu können. „Daher ist auch der Einsatz der richtigen Robotertechnik von entscheidender Bedeutung“, erklärt Rolf Wirz, Geschäftsführer bei Amax.
„Es war uns klar, dass die notwendige Flexibilität und Geschwindigkeit zum Picken der Kleinteile im Arbeitsraum nur ein Roboter mit Delta-Kinematik erreichen kann“, fährt Wirz fort. „Wir hatten den Delta-Roboter EXPT von Festo schon lange im Auge, jedoch bis dahin kein passendes Projekt dafür. Das optimale Kosten-Nutzen-Verhältnis sowie die langjährige gute Zusammenarbeit mit Festo Schweiz haben dann den entscheidenden Ausschlag gegeben“, erklärt Automatisierungsexperte Wirz.
„Aufgrund seiner Erfahrung in der pneumatischen Automatisierungstechnik war Festo schon damit betraut, das Vakuum-Greifsystem zu entwickeln“, so Wirz. Dies erfordere viel Erfahrung, da es nicht leicht sei, das richtig dosierte Vakuum zur richtigen Zeit für den Greif- und Abwurfimpuls aufzubauen. „Da passt es, dass Festo beides kann, pneumatische und elektrische Automatisierungstechnik, und wir in der Lage sind, aus dem Greifsystem und dem Roboter ein in sich geschlossenes Entwicklungspaket zu bilden. Dies führte auf unserer Seite auch zu einer Reduktion der Schnittstellen und den damit verbundenen Aufwänden“, beschreibt Wirz die Vorzüge der Zusammenarbeit mit Festo.
Doch bevor der Tripod im Palettierer in Betrieb gehen konnte, waren noch viele Tests zur Validierung nötig. „Daher baten wir die Kollegen im Application Center in der Unternehmenszentrale in Deutschland um Unterstützung“, sagt Daniel Minger, Vertriebsingenieur Industry Cluster Kleinteilehandling und Elektronik bei Festo Schweiz. Denn um die 120 Zyklen pro Minute erreichen zu können, waren zwei Delta-Roboter notwendig: Der erste Tripod greift so viele Teile vom Band, wie er kann, der zweite nimmt den Rest. Eine Vision-Kamera von Festo mit integrierter SPS steuert beide Tripods. So die Theorie.
Doch die Praxis sieht anders aus: Bei komplexeren Aufgaben reichen Simulationen am Bildschirm oft nicht aus. Dann sind Tests im Application Center von Festo gefragt. Unter Realbedingungen werden mit Werkstücken des Kunden Zykluszeiten und Wiederholgenauigkeiten an Handling-Systemen getestet und die Bewegungen mit der High-Speed-Kamera von Festo aufgezeichnet. Auf diese Weise lassen sich Soft- und Hardware genau aufeinander abstimmen.
Im Fall des Amax-Palettierers war vor allem die Absetzgenauigkeit in die Trays kritisch. Daher waren die Laborbedingungen des Application Center ideal, die Absetzgenauigkeit und die daraus folgenden Beruhigungszeiten der Delta-Roboter zu analysieren, die entsprechenden Software-Logarithmen zu entwickeln und für die geforderten Zykluszeiten zu optimieren.
Die beiden Delta-Roboter EXPT lieferte Festo als einbaufertiges Gesamtsystem mit der Robotik-Steuerung CMXR und den Motorcontroller CMMP-AS im dazugehörigen Schaltschrank. Hinzu kam das intelligente Kompaktkamerasystem SBOI…-Q, das die Teile auf dem Band optisch erfasst und die Positionsdaten an die Robotik- Steuerung weitergibt. Weitere einbaufertige Handhabungssysteme übernehmen den Traywechsel. Die elektrischen Achsen vom Typ ELGR schieben die Trays nach vorne, pneumatische Zylinder heben und spannen sie. Die elektrische Achse EGC-HD, bekannt für ihre Steifigkeit und Präzision, bewegt einen mechanischen Greifer horizontal. Der Greifer hebt mehrere Teile gleichzeitig, schwenkt um 90° und legt sie in ein Gittertray. Die Vertikalbewegung übernimmt die elektrische Achse EGC.
Komplett montiert, geprüft und mit Funktionsgarantie ausgestattet, lieferte Festo die einbaufertige Systemlösung direkt an die Maschine. „Wir nutzten das Engineering Know-how der Festo Automatisierungsspezialisten und sparten damit über den gesamten Prozess viel Zeit – vor allem bei der Prüfung und Inbetriebnahme“, unterstreicht Rolf Wirz die umfassende Service-Leistung von Festo.
„Wir bewegen uns mit unseren individuellen Automatisierungslösungen häufig an der Grenze des technisch Bekannten und Machbaren. Von unseren Partnern erwarten wir große Innovationsfreude und die Bereitschaft, zusammen mit uns spezielle Herausforderungen oder neue Anwendungsgebiete zu erschließen. Einen solchen Partner haben wir mit Festo gefunden“, erklärt Wirz. „Der Delta-Roboter EXPT ist nur ein Beispiel von vielen, wie es Festo schafft, uns innovative Produkte an die Hand zu geben, mit denen wir uns am Markt durchsetzen können“, so der Amax Geschäftsführer.
Der Tripod von Festo erweitert laut Wirz dank seines attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnisses die Delta-Technologie in Bereiche, die bisher Scara-Robotern vorbehalten waren. Dabei spielt er seine geringe bewegte Masse sowie die bessere Zugänglichkeit voll aus und überzeugt gleichzeitig durch eine hohe Systemsteifigkeit und der damit verbundenen Wiederholgenauigkeit.
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Tätigkeitsfeld: Montage- und Fertigungsautomation, Sondermaschinenbau und Becherhandling
Dieser Artikel erschien im Festo Kundenmagazin trends in automation 2.2014