Bildung, Wissen und individuelles Lernen sind ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur von Festo. Die Lernfabrik in der Technologiefabrik Scharnhausen ist direkt in die Produktion integriert und schließt so die Lücke zwischen praktischem Lernen am Arbeitsplatz und theoretischem Lernen im Schulungszentrum. Ideenschmieden schaffen zudem Raum für kooperative Technologie- und Produktentwicklungen.
Juliane Körner wirft nochmals einen prüfenden Blick auf alle Arbeitsstationen. DasTraining zum Thema Energieeffizienz beginnt in zehn Minuten. Die kaufmännische Auszubildende im zweiten Lehrjahr ist seit Kurzem in der Lernfabrik in Scharnhausen eingesetzt. Zusammen mit einem technischen Auszubildenden verwaltet sie die Trainingsanmeldungen und ist verantwortlich für die Pflege und Instandhaltung der Räume. „Besonders gut gefällt mir, dass wir Azubis uns im Team selbstständig um dieVorbereitung der Trainings kümmern.“ Mittendrin sein, das „lebt“ die neue Lernfabrik. Gleich, ob Azubi, neuer oder erfahrener Mitarbeiter, die Wissensvermittlung findet nicht in einem isolierten Seminarraum, sondern direkt neben der praktischen Anwendung statt. „Da die Trainings speziell auf die Mitarbeiter für das Werk in Scharnhausen ausgerichtet sind, haben wir auch immer wieder Kontakt mit technischen Themengebieten. Gerade für uns kaufmännische Azubis ist es eine Superchance, einen Einblick in die Produktion zu bekommen, da sich unser Büro mitten in der Ebene der Montage für spezielle Kundenlösungen befindet“, erklärt Juliane Körner begeistert.
Die 220 m² große Lernfabrik integriert die moderne Lernkultur von Festo unmittelbar in die Abläufe der Technologiefabrik. Das Angebot umfasst derzeit 33 Trainings, Produktschulungen und Prozessqualifizierungen, die sich in den Arbeitsalltag integrieren lassen. Für neue Mitarbeiter, um die Funktion von Produkten zu verstehen und sich in ihre Aufgaben einzuarbeiten und für langjährige Mitarbeiter, um innovative Prozesse und Technologien kennenzulernen.Training-on-the-job und Training-near-the-job verschmelzen zu einer didaktischen Einheit. Ein breites Programm von gezielten Unterweisungen, Planspielen, Aufbauseminaren sowie der Wissensaustausch durch Führungskräfte und Kollegen ermöglichen ein auf die Anforderungen des einzelnen Mitarbeiters zugeschnittenes Lernen.
Für einen optimalen Lerneffekt sind in den Trainingsräumen der Lernfabrik verschiedene Lernstände mit Originalkomponenten und-software aus der Produktion ausgestattet. Zielgruppenspezifische Lernszenarien mit Führungskräften und Fachexperten als Trainer ermöglichen ein arbeitsplatznahes und kurzzyklisches Lernen.
Für Manfred Zahn, Leiter Qualifikation bei Festo, ist einer der Gründe für die Entwicklung der Lernfabrik der kurze Weg zwischen Arbeit und Lernen: „Auf diese Weise lassen sich die Lektionen auch zwischendrin mal leicht in den Arbeitsall tag einbauen“, erklärt Zahn und ergänzt: „Ein weiterer wichtiger Grund: Wir haben in der Lernfabrik die Möglichkeit, technische Innovationen in interdisziplinären Gruppen zu testen: Engineering-Experten, Leute aus der Produktion wie Maschinenbediener, Anlagenführer, quer durch alle Hierarchien.“ Neue Mitarbeiter starten im vierzehntägigen Rhythmus alle gemeinsam in der Lernfabrik mit einem eineinhalbstündigen Einführungstraining. Sie erhalten einen Überblick zu allgemeinen Themen wie Qualität, Energie, Sicherheit, Empfindlichkeit von Bauteilen, Werkstandards oder Pausenzonen.
Da die Lernfabrik als Prozessbegleiter der Technologiefabrik konzipiert ist, benennen Führungskräfte potenzielle Lernthemen. In individuellen Steckbriefen werden Lernziele, Personenzahl, Trainer, Dauer, Wiederholungen und die gewünschte Methodik einer Schulungsmaßnahme formuliert. Ziel ist ein standardisierter Trainingsablauf. Der Trainingskatalog beinhaltet Mechanische Bearbeitung, Montage, Elektronikfertigung und Automatisierung sowie die Querschnittsthemen Energie und Umwelt, Festo Produkte, Festo Produktionssysteme und standortbezogene Trainings im Werk Scharnhausen.
Ein zentrales Element der Lernfabrik in Scharnhausen ist die cyber-physische Lern- und Forschungsplattform „CP Factory“ von Festo Didactic. Die Cyber-Physical Factory ermöglicht die praxisnahe Vermittlung von Technologiewissen hinsichtlich einer zukünftig stärker digitalisierten Produktion und Mensch-Maschine-Interaktion. Die CP Factory bildet die neuen Entwicklungen der vernetzten Produktion von Industrie 4.0 ab und stellt einen Smart Factory Baukasten für Lehre und Forschung bereit. Sie ist Teil des modularen und durchgängigen Lernsystems zur Vermittlung von Industrie4.0-Kenntnissen.
Als Plattform bildet sie die Stationender realen Produktionsanlage modellhaft ab, integriert relevanteTechnologien der Mechatronik und der Automation und ermöglicht beispielsweise das Lernen von Anlagenprogrammierung, Vernetzung und Datenmanagement. Darüber hinaus wird die CP Factory zur Entwicklung und zum Testen von flexiblen Softwarelösungen eingesetzt, die dann in der Produktion Anwendung finden. „Mit der CP Factory macht die Festo Lernfabrik Scharnhausen einen wichtigen Schritt in die Zukunft von Industrie 4.0“, sagt Klaus Zimmermann, Leiter Training and Consulting von Festo Didactic Deutschland. „Neben der technologischen Weiterentwicklung spielt für uns vor allem auch die fachübergreifende Qualifikation für Mitarbeiter eine entscheidende Rolle.“ Auch für Juliane Körner ist durch ihre Arbeit in der Lernfabrik Industrie 4.0 kein abstrakter Begriff mehr. Wenn sie ihren Kollegen aus den technischen Berufen über die Schulter schaut, kann sie mit eigenen Augen sehen, wie sich die Produktion in Zukunft verändern wird.