trends in automation - page 8

Wächter
der Zeit
JoachimUllrich istPräsident
der Physikalisch-TechnischenBundesanstalt inBraunschweig.
Hier tickenUhren, die zudengenauestenUhrenderWelt zählen.Wiesie funktionieren,was
esmitderWeltzeit auf sichhatundwozuesgut ist, eineSekundeauf sechzehnStellenhinter
demKommagenau zubestimmen, erklärtderPhysiker im Interview.
Interview
trends inautomation:
HerrProfessorUllrich, diePhysikalisch-
TechnischeBundesanstalt ist bekannt für ihregenauenUhren
und sogeseheneine Instanz inSachenZeit. Dochwas ist
eigentlichZeit?
Prof.Dr. JoachimH.Ullrich:
Dies ist einesehr vielschichtige
Frage.Wir PhysikermachenesunseinfachunddefinierenZeit
über vorhersagbare,wiederkehrendeProzesse, zumBeispiel
über dieErdrotationoder einPendel. BereitsvomNobelpreis-
träger undPTB-KuratorAlbert Einstein ist diesesehr pragmati-
scheDefinitionüberliefert. Danach ist Zeit,wasmananderUhr
abliest. Seit Einsteinwissenwir jedochauch, dassZeit relativ
ist, zumBeispieldasssie langsamerfliesst,wennwir inBewe-
gungsindoder uns ineinemSchwerefeldbefinden. Relativ ist
auchdiemenschlicheWahrnehmungvonZeit.Nocheinmal frei
nachEinstein: ZweiMinuten inGesellschaft einesnettenMäd-
chensscheinensehrkurzzusein,währendsichzweiMinutenauf
einemheissenOfenunendlich langeanfühlenkönnen.
Darüber hinausgibt esvieleoffeneFragen, zumBeispiel obZeit
einenAnfangoder einEndehat undwie langeeigentlichGegen-
wart indermenschlichenWahrnehmungdauert. Auchdiebiolo-
gischeUhr undkulturelleBesonderheiten imUmgangmit der
Zeit sindhochinteressante, aktuelleThemenderWissenschaft.
Wie lässt sichZeitmessen?
Ullrich:
Mit einemPendel zumBeispiel. Dabei gilt, jekürzer das
Pendel ist, destoschneller schwingt esunddestogenauer lässt
sichdamit dieZeitmessen.Nochpräziser sindQuarzuhren, in
deneneinKristallmit elektrischer Spannung zumSchwingen
gebrachtwird.Über30000Mal schwingter inderSekunde.Die
genauestenUhrensind imMoment dieAtomuhren, auchwenn
darindieAtomeselbstnicht schwingen.Stattdessennehmenwir
elektromagnetischeStrahlung zuHilfe, genauer gesagtMikro-
wellen. Sieschwingennochviel schneller alseinQuarzkristall,
nämlichetwaneunMilliardenMal jeSekunde.Mit derMikro-
wellenstrahlung regenwir ElektronenvonCaesium-Atomen
an. Undweil dasnur funktioniert, wenndieStrahlungeine
ganz bestimmteSchwingungsfrequenz hat, könnenwir darü-
ber denWert einer Sekundedefinierenundauch sehr genau
bestimmen.
Wirmüssennatürlichstetigkontrollieren, dasswirden richtigen
Takt vorgebenunddieElektronenauchwirklichanregen. Dazu
schickenwir dieCaesium-Atome ineinemhorizontalenStrahl
zunächst durchMagnet- undMikrowellenfelder und zählen
dann,mit einemgeschickt positioniertenDetektor, nurAtome
mitangeregtenElektronen. InunserenbeidengenauestenUhren,
der CSF1undCSF2 (s. Bild rechts, Red.), habenwir eineandere
Anordnungund schiessendieCaesium-Atomewieeine Fon-
tänesenkrecht nachobendurchdasMikrowellenfeld. Dann
durchlaufen siedas FeldbeimHerunterfallennochein zweites
Mal.Mit diesenAtomuhrenkönnenwir dieSekundeauf 16
StellenhinterdemKommagenaubestimmen.
SogenaumüssenArmband- oderBahnhofsuhrensicher
nicht gehen.Wofür brauchtmandiehohePräzision?
Ullrich:
Ungenauigkeit sammelt sichanund zwar relativ
schnell. Deshalbkönnenwir nurmit sehr genauenUhrenauch
langfristigeinehoheGenauigkeitgewährleisten.Darüberhinaus
spielt dieexakteZeitmessung vor allem fürwissenschaftliche
ThemeneineRolle. Einesunserer Schwerpunktthemen inder
PTB ist zumBeispiel die Frage, obNaturkonstantenwiedie
sogenannte Feinstrukturkonstante, indieu.a. die Lichtge-
schwindigkeitunddasPlanck’scheWirkungsquantumeingehen,
wirklichkonstant sind. EsgibtHinweisedarauf, dassdiesnicht
der Fall ist. Sollte sichder Verdacht erhärten, würdedies
weitreichendeFolgenhaben, dennvieleGesetzeundModelle
basierenaufNaturkonstanten.DassgenaueMessungenmanch
sicher geglaubteAnnahme torpedierenkönnen, haben
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