Der „Wassermann“
Prof. Dr.-Ing. Peter Cornel
gehört zur Weltspitze der Experten für die Wasserver- und
-entsorgung. Im Interview mit trends in automation beschreibt er unter anderem,
wie semizentrale Wasseraufbereitungsanlagen bis zu 40 Prozent Trinkwasser sparen.
In den wachsenden Megastädten der Welt entsteht heute die technologische Zukunft
eines nachhaltigen Umgangs mit Wasser.
Interview
Zur Person
Prof. Dr.-Ing. Peter Cornel
Peter Cornel studierte Chemieingenieurwesen an der
Universität Karlsruhe und promovierte dort 1983.
Anschliessend forschte er an der Universität Stanford in
Kalifornien. Nach 14 Jahren Tätigkeit im internationalen
Anlagenbau leitet er heute als Professor für Abwasser-
technik das Institut IWAR an der Technischen Universität
Darmstadt. Seit 2005 ist er Professor ehrenhalber der
Qingdao Technical University in China. Prof. Dr.-Ing. Peter
Cornel zählt zu den weltweit führenden Experten auf dem
Gebiet der Wasserver- und -entsorgung. Forschungs­
institutionen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft
und das Bundesministerium für Bildung und Forschung
sowie zahlreiche wissenschaftliche Journale vertrauen auf
sein Wissen und seine Erfahrung als Gutachter. Neben
zahlreichen leitenden Funktionen in Fachgremien und
Ausschüssen ist Prof. Cornel unter anderem auch als Vor-
standsmitglied der German Water Partnership aktiv.
Sie leiten das Fachgebiet Abwassertechnik an der Techni-
schen Universität Darmstadt, managen Forschungsprojekte,
arbeiten als Gutachter und Mitherausgeber von wissenschaft­
lichen Journalen und sind im Vorstand zahlreicher Gremien
vertreten, was treibt Sie an?
Prof. Dr.-Ing. Peter Cornel:
Als Student der Verfahrenstechnik
hat mich die starke Gewässerverschmutzung im Europa der
1970er Jahre geprägt. An den Staustufen von Main und Rhein
gab es riesige Schaumberge. Zu dieser Zeit begann überhaupt
erst so etwas wie ein Umweltdenken zu entstehen. Was mich
bis heute antreibt, ist nicht primär die Weiterentwicklung von
Verfahren und Apparaten – diese sehe ich als Mittel zum Zweck
– sondern der Natur- und Gewässerschutz. Dabei muss man
aber auch so realistisch sein zu sehen, dass vielfach genutzte
Flüsse wie Rhein, Main, Neckar und andere heute nicht mehr
die Wasserqualität wie ein unberührter Gebirgsbach aufweisen
können. Das Ziel sollte eine naturnahe hohe Qualität sein, die
auch eine multiple Nutzung erlaubt.
Sie sprechen die europäischen Erfahrungen mit dem
Schutz der Gewässer an, steht diese Entwicklung anderen
Nationen noch bevor?
Cornel:
Im Vergleich zu vielen derzeit aufstrebenden Wirt-
schaftsnationen haben wir in Deutschland und Europa einen
Vorsprung in der Abwassertechnologie und -infrastruktur
von mehreren Jahrzehnten. Die gleichen Fehler, die wir in den
1950er und 1960er Jahren begangen haben, wo zunächst
das Wirtschaftswachstum im Vordergrund stand, wurden und
werden in ähnlicher Form in sich entwickelnden Ländern ge-
macht. Beispielsweise in Korea und den Tigerstaaten während
der 1990er Jahre. Auch in China beobachten wir diese Entwick-
lung: Zuerst steht das wirtschaftliche Wachstum im Mittel-
punkt, Jahre später erst folgt die Umwelt. Dabei ist eines immer
wieder bemerkenswert: Es ist nicht der Umweltgedanke, der
den Umweltschutz ins Leben ruft, es sind fast immer ökonomische
Notwendigkeiten. Klagt beispielsweise die Landwirtschaft
darüber, dass Flusswasser, welches zum Bewässern genutzt wird,
vergiftet ist, so resultiert eine ökonomische Notwendigkeit,
Abwässer vor der Einleitung in die Gewässer zu reinigen. Auch
die Kosten für Trinkwasseraufbereitung aus Flusswasser steigen
mit steigender Verunreinigung. Die Ökonomie, nicht die Ökologie,
ist hier der Treiber.
Kann man demnach die Lösungsstrategien, die in den
vergangenen Jahrzehnten für Europa entwickelt wurden,
eins zu eins auf Fernost übertragen?
Cornel:
Die Problemstellungen der sich entwickelnden Länder
unterscheiden sich deutlich von denen, die wir in Europa
haben und hatten. Ein grosses Thema ist die Trinkwasser-
ver- undAbwasserentsorgung in den schnell wachsenden
1,2,3,4,5,6,7 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,...52