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„Durch Digitalisierung und die

Vernetzung ändert sich alles, auch

unsere berufliche Identität.“

PD Dr. Andreas Boes,

Vorstand am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung München (ISF)

Bilder: Fotolia, HPI, ISF, Festo

rung und mit ihr auch, wie wir ticken.

„Früher funktionierte das noch fast aus-

schließlich mit repressiven Mitteln“, be-

schreibt der Professor die Entwicklung in

groben Zügen. „In der Schule wurde se-

lektiert und bestraft. Die Schüler erlebten

sich als Konkurrenten.“ Das Schulsystem

des Kapitalismus arbeite zunehmend

auch mit Belohnungen. Die Schüler blie-

ben jedoch Konkurrenten, seien nun aber

auch leichter verführbar. Der große passi-

ve Anteil dieser postindustriellen Schüler-

generation zeige sich angepasst und will-

fährig, fühle sich vermeintlich frei und

kümmere sich vor allem um sich selbst.

Gemeinsam erfolgreich

„Durch Schule und Ausbildung sind wir in

erster Linie als kompetitive Einzelwesen

unterwegs“, bestätigt auch Prof. Wein-

berg aus der Bedarfsperspektive der Wirt-

schaft. „Die Industrielandschaft braucht

aber immer mehr Persönlichkeiten, die

über die eigenen Fachgrenzen hinweg

denken und handeln können und denen

die Kollaboration wichtiger ist als der ein-

zelne Erfolg.“ Gemeinschaftssinn als

Grundlage für unsere Denk- und Hand-

lungsansätze? Klingt naturgemäß auf je-

den Fall sozial, Experten erkennen darin

aber vor allem eine klare, sachliche Di-

mension. „Gemeinsam erarbeitete Lösun-

gen sind immer richtiger, nutzbringender

und vollständiger, als jene, die ein Einzel-

ner sich erdenken kann“, erklärt Hüther.

„Die Gesellschaftsform, die das 21. Jahr-

hundert braucht, sind co-kreative Ge-

meinschaften – keine Konkurrenz- oder

zweckgebundenen Kooperationsgesell-

schaften. Gemeinsam kann man einfach

mehr Denken und die so gewonnenen

Ideen auch effektiver umsetzen.“ Neue

Lernziele allein reichen vermutlich nicht,

um den Einzelkämpfer-Modus abzulegen.

Hüther: „Die Bildungsverantwortlichen

müssen sich fragen, wie sie Co-Kreativität

fördern statt Konkurrenzdenken. Wie sie

Menschen darauf vorbereiten, dass sie

gemeinsam etwas gestalten und umset-

zen können“, erklärt der Mitinitiator der

Initiative Schule im Aufbruch und Gründer

der Akademie für Potenzialentfaltung mit

Standorten in Göttingen, Wien und Zürich.

Nicht nur das Gehirn lernt

Unsere zunehmend vernetzte Welt erfor-

dert also womöglich eine Art kollektive

Denkweise mit Blick über den Tellerrand,

was unsere biologische Grundausstattung

durchaus hergibt, wie Hirnforscher Hüther

weiß. Lediglich unser Bildungssystem sit-

ze auf unseren Anlagen wie ein Pfropf:

„Wir müssen den ganzen Lernbegriff

grundsätzlich hinterfragen. In der Schule

haben wir bislang immer nur kognitives

Lernen geschult. Lernen ist aber ein Merk-

mal des Lebens und mit Ebenen wie dem

sozialen, emotionalen und körperlichen

Lernen weitaus komplexer und vielschich-

tiger.“ Es sei eben nicht nur das Gehirn,

das lernt, sondern der ganze Mensch.

„Analytisches Denken etwa geht nicht nur

Umdenken gefragt:

Teamwork

statt Konkurrenz – Experten sehen

im kollaborativen Handeln großes

Potenzial für die Zukunft. Die

Grundsteine dafür werden schon

in der Ausbildung gelegt.